Gefühlte Wahrzeichen

warum man dort sein wollte

Die Wettervorhersage lag mal wieder richtig. Als wir morgens die Köpfe aus dem Camper strecken, erblicken wir blauen Himmel über der Bucht und Wolken entlang der Berge der Snæfellsnes-Halbinsel. Wenn sich das Wetter an den Bericht hält, sollen die sich im Laufe des Tages immer mehr auflösen. Das macht uns nach dem gestrigen „Trübtag“ wieder Hoffnung auf Island-Erlebnisse.

Bevor wir Buðardalur verlassen, fahren wir noch ein paar Ecken weiter, um in einem Gasthaus die Campingplatz-Gebühr zu entrichten. Normalerweise hätte man in einem kleinen Büro am Campingplatz bezahlt, aber es ist schon nach Ende der normalen Saison.

Nach dem ursprünglichen Reiseplan wäre Snæfellsnes das Ankunfts-Ziel des heutigen Tages gewesen, aber das Wetter spielte gestern ja nicht mit und wir befinden uns nun aus der Sicht des Reiseplans schon einen Tag früher am nordöstlichen Ende der Halbinsel. Das öffnet die Gelegenheit den heutigen Tag etwas spontaner zu gestalten.

Folglich starten wir auf der Straße 60 nach Süden um dann auf die 54 nach Westen ein zu biegen. Ich grübele ob wir nach Stykkishólmur fahren sollen, aber irgendwie drängt es uns in die Berge. Spontan biegen wir auf die 55 nach Süden ab. Als wir den Pass überquert hatten, fuhren wir entlang eines Lavafeldes, als die Sonne die Landschaft in ein mildes freundliches Licht tauchte. Ein Zaun markiert eine mir unbekannte Grenze und lenkt den Blick zum „Goldstadt Lavafeld“ aus dessen Mitte der Krater Gullborgarhraun ragt. Im Hintergrund erhebt sich die Bergkette, welche die Halbinsel von Ost nach West durchzieht und an deren Ende der berühmte Snæfellsjökull liegt.

Nach wenigen Kurven weiter stießen wir aber auch schon wieder auf die reichlich befahrene Straße 54 und wir reihten uns in den Tourismus wieder ein.

An einem kleinen Parkplatz hielten wir an, weil wir die Zufahrt zu den Gerðuberg Basaltklippen zwar gesehen aber nicht mehr nehmen konnten ohne eine Vollbremsung hinzulegen. Dort entdeckten wir die vorbeiziehenden Regenschauer, die im fahlen Sonnenlicht eine wunderbare Lichtstimmung in die Landschaft malten. Als wir dann bei den Gerðuberg Klippen ankamen, hielt sich unsere Begeisterung für den Anblick in Grenzen. Wir entschieden die Straße gleich noch ein Stück weiter zu fahren. Nicht umsonst hatten wir ja die 4×4 „Ramme“. Wir hielten an einem Lavafeld an, um den wunderbaren Kontrast zwischen dunkeln Wolken, hellem Regen und sonnengebadetem Moos zu erfassen.

In der Nähe befand sich auch ein rostrotbraun schimmernder kleiner Krater auf dessen Flanke ein kleiner Weg nach oben führte.

Von oben konnte man nochmal einen wunderbaren Blick Richtung Südküste mit Regenstreifen um den Eldborg Krater bewundern.

Dieser kleine Abstecher hatte unsere Entdecker-Lust stimuliert. Also fuhren wir den nun sehr steinigen Weg weiter bis wir an einem Parkplatz und einem geschlossenen Tor über die Straße ankamen. Gerne wären wir hier weiter gefahren, wussten aber nicht ob es erlaubt gewesen wäre, das Tor zu öffnen und nach der Durchfahrt wieder zu schließen. Außerdem startete ein Wanderweg Richtung einer mit mehreren kleineren Wasserfällen ausgestatteten Schlucht. Aber wir begnügen uns damit die Schlucht mit dem Teleobjektiv zu erkunden und den Rückweg anzutreten. Das rückt den Ytri-Rauðamelskúlur ins zentrale Sichtfeld und bietet sofort einen Backflash auf das Hochlandfeeling, welches wir vor ca. 2 Wochen im Süden entlang der Strecken F208 und F206 erlebt hatten und gleich die dazu passenden Gefühle.

Beim Hof Gerðuberg stellt sich uns eines der vielen wolligen Wahrzeichen Islands in Fotoblickfeld und eine Wiese weiter die Steaks von morgen.

Anschließend fahren wir wieder über die 54 nach Westen, entlang der Bergkette und der vielen – wie auf einer Perlenschnur aufgereihten – Seen entlang der Südküste. Wir nehmen den Abstecher zum Bjarnarfoss, der heute mit seinem Feature – verweht zu werden – geizt. Obwohl immer wieder Sonnenflecken die Hauptbergkette punktuell beleuchten, scheint sich der Snæfellsjökull unter einer permanenten Wolkenmütze verbergen zu wollen.

Das nächste Ziel liegt quasi um die Ecke. Die schwarz angemalte Búðakirkja. Die liegt am Rande eines mit Moos bewachsenen Lavafelds.

Trotz fotografischem Umrunden der Kirche, die auf vielen beeindruckenden Fotos ab-gelichtet wurde, finde ich keinen passenden „Zugang“ zu diesem Motiv. Und durch Unaufmerksamkeit und Unwissenheit verpassen wir auch den nahe gelegenen roten Sandstrand.

Aber immerhin gelingt mir noch ein weiter Schnappschuss der wolligen Wahrzeichen, die aus dem Lavafeld stürmten.

Ein Blick auf die Uhrzeit erinnert mich daran, dass als nächstes mein ganz persönlicher Island Sehnsuchtsort auf der Agenda steht. Ich plante noch vor dem Sonnenuntergang dort zu sein und die Zeit wurde knapp. Also folgen wir weiter der Straße 54 über den Pass, lassen Ólafsvík links liegen und fahren durch bis zu dem Berg.

Natürlich sind wir hier zu dieser Jahreszeit weit davon entfernt alleine zu sein. Aber im Gegensatz zu anderen Orten ist hier die Dichte der ambitionierten Fotografen besonders hoch. Und hier schmerzt der Verlust meines Super-Weitwinkel-Objektivs von vor einer Woche besonders stark. Also erst mal ein Überblickpanorama erstellen, das geht auch mit einem weniger weit-winkligen Objektiv.

Und dann ging die Suche los, wie ich mein persönliches Island-Wahrzeichen, den Kirkjufell von seiner markantesten Seite mit den beschränkten optischen Mitteln ins rechte Bild setzen kann. Während Michi schon den Standardblickpunkt mit Wasserfall im Vordergrund eingenommen hat, versuche ich von weiter unten, wo die Kirkufellsá schon fast in die Lagune mündet, eine Andeutung einer Bergspiegelung im Wasser zu finden. Aber auch eine unterschiedliche Perspektive auf den Wasserfall ergibt sich von hier. Das Bild kann man sogar als akzeptabel bezeichnen, nachdem die – von der künstlerischen Freiheit gedeckte – Entfernung der Menschenmassen in der Postproduktion durchgeführt wurde. Aber auch das Sonnenlicht rückt den nahe gelegenen Ort Grundarfjörður nochmal spektakulär in den Blickpunkt.

Wegen dem fehlenden Weitwinkelobjektiv und dem zu engen Bildausschnitt, beschloss ich die Lagune zwischen den Berg und mich zu bringen. Das hatte nicht nur den Vorteil, dass nun der Bildausschnitt vernünftiger wurde, sondern auch die Menschenmassen innerhalb des Bildes ließen nach. Die folgenden beiden Bilder zeigen wie gleich und doch unterschiedlich Fotos sein können, wenn man die Natur die Lichtverhältnisse, Wolken und den Wind variieren lässt.

Wetter mäßig hatten wir Glück, dass zur richtigen Sonnenuntergangzeit die Wolken am Himmel weniger wurden. Zudem meldete die Polarlichter-App günstige Voraussetzungen. Also mussten wir die Zeit bis zur vollständigen Dunkelheit irgendwie verstreichen lassen. Das stellte sich aber als nervige Angelegenheit heraus, denn eine sichtlich aufgebrachte Isländerin meckerte jeden an, der nicht ganz offensichtliche Anzeichen machte, seinen Platz auf dem viel zu kleinen Parkplatz nur vorübergehend zu belegen. Obwohl wir es wirklich nicht vorhatten, wurden wir mehrmals lautstark aufmerksam gemacht, dass Camping dort verboten wäre. Aber wir wollten die Übergangszeit der Dämmerung mit einem selbst zubereiteten Abendessen verstreichen lassen. Unsere Hartnäckigkeit bereitete uns schon ein schlechtes Gewissen, aber am Ende hat es sich ausgezahlt. Als ich wieder im Dunkeln den Platz hinter der Lagune eingenommen hatte, leuchtete der Himmel um den durch das Fish-Eye-Objektiv in die Ferne gerückten Kirkjufell in den wunderbar bunten Farben einer entzückenden Aurora.

Nach dem uns dann doch kälter wurde und sich immer mehr Wolken zwischen uns und die Lichter schoben, beschlossen wir den mittlerweile ausbleibenden „kein Campingplatz“ Aufforderungen folge zu leisten und stellten uns zu einem einzigen weiterem Zelt auf den offiziellen Campingplatz von Grundarfjörður.

Doch als Abschlussbild des heutigen Tages will ich euch Michs wirklich gelungene „klassische“ Perspektive im untergehenden Sonnenlicht und mit Wasserfall im Vordergrund nicht vorenthalten.